Traumhaft durch die Narkose

Das 30-köpfige Ärzteteam der Anästhesie betreut jedes Jahr rund 8.500 Narkosen bei Operationen aller Fachgebiete. Hier im Bild (v.l.): Dr. Herman Schubert, Dr. Marcus Lenk, Dr. Marion Limbeck, Dr. Andreas Gärtner, Chefarzt PD Dr. Florian Weis, Dr. Slawomir Gucwa
Vielen Menschen macht eine bevorstehende Operation Angst. Hauptgrund ist häufig die damit verbundene Narkose. Die Gedanken, völlig ausgeliefert zu sein, Schmerzen zu erleiden wegen einer zu geringen Dosierung oder überhaupt nicht mehr aufzuwachen, quälen sie. Das Anästhesieteam aus Ärzten und Pflegekräften arbeitet am Klinikum tagtäglich daran, den Patientinnen und Patienten diese Sorgen zu nehmen.
Seit einigen Wochen leidet Maria N., 68, an Schmerzen und Schwellungen in der Leistengegend. Ihr Hausarzt hat sie deswegen ans Klinikum Fürstenfeldbruck überwiesen, wo ihr nach eingehender Untersuchung ein Leistenbruch diagnostiziert wurde, der operiert werden soll: „Ich konnte einerseits die Operation gar nicht erwarten, da ich mich endlich wieder schmerzfrei bewegen wollte. Andererseits hatte ich auch Bammel vor der Narkose, denn Bekannte hatten mir schon verschiedene Schauergeschichten erzählt.“
„Dieser Zwiespalt begegnet uns sehr oft bei Narkosevorgesprächen“, erklärt der Chefarzt der Anästhesie und Operativen Intensivmedizin, PD Dr. Florian Weis. „Unsere Tätigkeit beginnt deshalb bei geplanten Eingriffen weit vor der OP.“
Auf Basis der klinischen Untersuchung und der allgemeinen Krankengeschichte wird gemeinsam besprochen, welche Narkose für den einzelnen Patienten am geeignetsten ist. Heutzutage steht eine große Auswahl an Anästhesieverfahren zur Verfügung: von der ultraschall-gesteuerten Blockade einzelner Nerven (Teil- oder Regionalanästhesie) über die Methoden der rückenmarksnahen Regionalanästhesie (z. B. in der Bauchchirurgie) bis hin zur Vollnarkose sowie Kombinationsverfahren.
Jeder Operation geht ein ausführliches Narkosegespräch voraus
„Bei diesem Gespräch gelingt es uns meist, Ängste und Sorgen zu lindern oder idealerweise zu beseitigen. So stimmenwir für jeden Patienten das optimale Anästhesieverfahren individuell ab“, erläutert Weis. Auch eine mögliche postoperative Übelkeit durch die Narkose kommt zur Sprache, denn diese Nebenwirkung tritt tatsächlich recht häufig auf; sie lässt sich jedoch durch individuelle Dosierung und Auswahl der Anästhesietechnik (z. B. weniger morphinhaltige Schmerzmittel) oder bestimmte prophylaktische Medikamente (Antiemetika) minimieren.
Am Tag nach dem Vorgespräch meldet sich Maria N. morgens um 8 Uhr nervös am Eingang des Ambulanten Operativzentrums (AOM) zur Aufnahme. Nach den Formalitäten kleidet sie sich um; ihre persönlichen Sachen kommen in einen abschließbaren Spind und die Patientin zieht sich den OP-Kittel über. Dann darf sie es sich auf der Liege bequem machen, mit der sie zum Operationsbereich geschoben wird. An der Schleuse wird sie von Pflegefachfrau Andrea in Empfang genommen. Diese verwickelt sie gleich in ein Gespräch, um die Atmosphäre aufzulockern: „Wie fühlen Sie sich? Ist es Ihnen schwergefallen, heute Morgen nüchtern zu bleiben?“
Max und Andrea arbeiten beide in der Anästhesiepflege.
Währenddessen bereitet Andrea‘s Kollege Max im Einleitungsraum bereits die Gerätschaften und Medikamente vor, die für die Narkose notwendig sind. Nachdem Andrea die Patientin in den Raum geschoben hat, helfen sie ihr gemeinsam, sich von der Liege auf den OP-Tisch umzubetten. „Möchten Sie eine Wärmedecke?“, fragt Max die Patientin, wohlwissend, dass die OP-Säle recht kühl sind. „Und versuchen Sie gleich an was Schönes zu denken, damit sie auch während der Narkose einen angenehmen Traum haben“, ergänzt Andrea. Denn dieser Tipp scheint meistens zu klappen.
Inzwischen ist auch der Anästhesist dazugekommen, der mit der Patientin noch einmal die obligatorische Checkliste durchspricht – eine Sicherheitsmaßnahme, die der Narkose immer vorausgehen muss. Zudem wurde die Eingriffsstelle vom Operateur gemeinsam mit der Patientin vor der OP schon markiert, so dass keine Seitenverwechslungen auftreten können. Nun kann der Infusionszugang gelegt und die Monitorüberwachung angeschlossen werden. Bald nachdem der Anästhesist mit der Narkose begonnen hat, fällt die Patientin in den Schlaf und wird in den Operationssaal geschoben.
Sechs OP-Säle werden im Klinikum gleichzeitig betrieben
Im Klinikum Fürstenfeldbruck nehmen die Ärztinnen und Ärzte aller Fachbereiche an an normalen Tagen in sechs OP-Sälen gleichzeitig Eingriffe vor. In jedem Saal arbeitet jeweils eine Kollegein bzw. ein Kollege der Anästhesiepflege mit zwei Kollegen aus der OP-Pflege zusammen und unterstützt die Chirurgen. Im Operationssaal findet als letzte Sicherheitsbarriere das „Team-Time-Out“ statt: Dabei vergegenwärtigt sich das gesamte OP-Team in einer kurzen Pause noch einmal die entscheidenden Eckdaten des Eingriffs, des Patienten und dessen Versorgung nach der Operation.
Technik und Menschlichkeit im Einklang
„Das technische Umfeld und die interdisziplinäre Tätigkeit waren für mich Gründe, warum ich eine Ausbildung zum Anästhesietechnischen Assistenten (ATA) begonnen habe“, erklärt Max. „Während der OP beobachten wir am Monitor die Gehirnströme und alle Vitaldaten. Daran lässt sich gut erkennen, ob der Patient ausreichend narkotisiert ist oder ob die Narkose vertieft werden muss.“
Welche Aufgaben anästhesistische Ärztinnen und Pflegekräfte übernehmen, wurde auch den Schülerinnen der Realschule Maisach ganz praktisch vorgestellt.
Nach der OP schiebt Andrea die Patientin in den Aufwachraum, wo jede operierte Person nach einer Narkose noch eine Weile bleibt, damit ihr Zustand eng überwacht werden kann. „Sobald die Patienten wach sind, bekommen sie von uns ein Wassereis“, schmunzelt Andrea, „das hilft gut gegen den trockenen Mund und liefert ein bisschen Geschmack und Zucker nach der langen Nüchternheit.“
Anschließend ruht Maria N. in einem der neun Betten im AOM noch aus und darf endlich wieder richtig essen und trinken. Nach einem Abschlussgespräch mit dem Anästhesisten und dem Operateur kann sie im Laufe des Nachmittags von ihrem Mann abgeholt werden. Sie verabschiedet sich vom Team mit den Worten „Vielen Dank, ich hab‘ schön geträumt während der Narkose.“