Die Leber leidet „leise“
Mit ihren rund 1,5 Kilogramm ist die Leber nicht nur im übertragenen Sinn ein wahres Schwergewicht. Abgesehen vom fünfmal leichteren Herzen ist sie als einziges Organ im menschlichen Körper in zwei Blutkreisläufe eingebunden. Das macht sie zum zentralen Stoffwechselorgan – und ihr Versagen zu einem ernsten Problem.
Dank ihrer guten Anbindung kann die Leber – gemeinsam mit der benachbarten Galle – vielseitige Funktionen im Energiestoffwechsel und bei der Produktion körpereigener Stoffe übernehmen. Auch bei der Entgiftung des Körpers, der Speicherung von Energiereserven und Vitaminen, der Produktion von Bluteiweißen sowie für unsere Immunabwehr ist das leistungsfähige Organ in unserer Körpermitte unverzichtbar.
Weitere Besonderheiten der Leber sind ihre Robustheit und ihre erstaunliche Regenerationsfähigkeit. Selbst wenn das Organ schon deutlich angegriffen ist, arbeitet es oftmals über längere Zeit noch weiter, ohne dass Symptome wie Schmerzen auftreten. Deshalb bleiben auch lebensbedrohliche Lebererkrankungen häufig unentdeckt. Ist ihre Schädigung noch nicht zu weit fortgeschritten, kann sich die Leber in vielen Fällen, unterstützt durch einen gesunden Lebensstil, teilweise oder vollständig erholen.
Lebererkrankungen: Entscheidend ist die Früherkennung
Nach Angaben der Deutschen Leberstiftung ist die Funktion des für den Stoffwechsel so wichtigen Organs bei schätzungsweise fünf Millionen Menschen in Deutschland krankhaft eingeschränkt. Viele der Betroffenen wissen über längere Zeit hinweg nichts von ihrer Lebererkrankung, denn die Leber leidet „leise“. Wegen ihrer geringen Schmerzempfindlichkeit treten die Symptome einer Lebererkrankungen oft erst in sehr fortgeschrittenem Stadium auf. Dann kann jedoch der Grad der Schädigung schon lebensbedrohlich sein.
„Lebererkrankungen werden hierzulande oft erst spät diagnostiziert, da die Leber nur bei einer akuten Schwellung schmerzt, chronische Lebererkrankungen spürt man jedoch nicht. Dabei ist die Untersuchung der Leberwerte im Blut völlig unkompliziert und mitunter lebensrettend. Bei verdächtigen Laborwerten können wir beispielsweise über ein spezielles Ultraschallverfahren und die Blutwerte oft bereits verlässlich klären, um welche Ursache, Art und Phase der Funktionseinschränkung es sich handelt. In vielen Fällen lassen sich Lebererkrankungen mit den heute zur Verfügung stehenden Therapien gut behandeln. Im letzten Jahr wurden sogar Medikamente zugelassen, die eine Verhärtung der Leber in bestimmten Fällen wieder verbessern können.“
So Hepatologe PD Dr. med. habil. Georg Peschel, der seit Anfang 2022 als Oberarzt im Fachbereich Gastroenterologie & Onkologie seine umfassenden Kompetenzen in die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Lebererkrankungen am Klinikum Fürstenfeldbruck einbringt.
Als Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie hat sich PD Dr. Georg Peschel zusätzlich in der Hepatologie, der klinischen Diabetologie sowie der Ultraschall-Feindiagnostik (DEGUM II) qualifiziert. Bis 2021 war er am Universitätsklinikum Regensburg als Oberarzt tätig, unter anderem als Leiter eines interdisziplinären Ultraschallzentrums, als Leiter der Hepatologie und in einer Spezialambulanz sowie in einem Entscheidungsgremium für Patienten, die auf eine Lebertransplantation warten. Im Rahmen seiner Habilitation untersuchte er den Einfluss von Infektionen auf Entzündung und Fibrose der Leber bei Patienten vor und nach Lebertransplantation.
Welche Ursachen sind für Leberschäden verantwortlich?
Zu den häufigsten Erkrankungen der Leber gehört die nicht-alkoholische Fettleber, neuerdings als metabolisch-assoziierte Fettleber bezeichnet, da sie oft mit Übergewicht, Diabetes oder Bluthochdruck einhergeht. Hiervon sind bereits heute schätzungsweise 25 % bis 30 % der Weltbevölkerung betroffen – eine Entwicklung, die Experten weltweit in Sorge versetzt. Neben Übergewicht verursacht durch den Lebensstil und begünstigt durch genetische Faktoren führt auch übermäßiger Alkoholkonsum zu einer Fettlebererkrankung, da sich Fetttröpfchen in den Leberzellen ablagern.
Entzündungen der Leber, Hepatitis genannt, können neben einer Verfettung der Leber durch Viren, Bakterien, Gifte, Medikamente oder Autoimmunerkrankungen ausgelöst werden. Lang andauernde Schädigungen münden in chronische Leberentzündungen, verbunden mit dem Risiko einer Bindegewebsvermehrung in der Leber. Bei dieser als Leberfibrose bezeichneten Phase werden die Leberläppchen und Gefäße nach und nach zerstört, sodass das Organ immer weniger in der Lage ist, seine Funktionen zu erfüllen.
Mit der fortschreitenden Bildung von dichtem Narbengewebe infolge der chronischen Entzündung wird die innere Struktur der Leber immer weiter und schließlich dauerhaft zerstört. In diesem Spätstadium der Erkrankung spricht man von einer Leberzirrhose oder auch Narbenleber. Durch die chronische Entzündung und den Versuch der Leber den Schaden zu reparieren wird schließlich auch die Entstehung von Leberzellkrebs, das sogenannte Hepatozelluläre Karzinom, begünstigt.
Heilungschancen werden umfassend genutzt
Im Klinikum Fürstenfeldbruck steht ein breites Spektrum an Verfahren für die Diagnostik und Therapie von Lebererkrankungen entsprechend der aktuellen Leitlinien bereit.
Stellen sich Patienten mit verdächtigen Leberwerterhöhungen oder bereits mit unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Druckgefühl im Oberbauch vor, geht das Team um den Hepatologen PD Dr. Peschel den vorliegenden Beschwerden auf den Grund. Neben körperlichen Untersuchungen kommen dabei spezialisierte Ultraschallverfahren, insbesondere die Lebersteifigkeitsmessung, die Kontrastmittelsonographie oder die ultraschallgesteuerte Leberpunktion zum Einsatz. Diese aussagekräftigen und wenig belastenden Leberdiagnostik-Methoden werden im Landkreis Fürstenfeldbruck einzig im Klinikum angeboten.
Bei Bedarf können zusätzlich weitere Untersuchungen, wie die Gallengangspiegelung, Computertomographie, Magnetresonanztomographie oder angiographische Gefäßdarstellung, genutzt werden. „Unser Bestreben ist stets, der Ursache einer Leberentzündung auf den Grund zu gehen, da wir nur so ein Fortschreiten und Komplikationen verhindern können. Für uns Hepatologen waren die letzten Jahre sehr spannend, da zum ersten Mal Medikamente auf den Markt bereitstehen, die bei bestimmten Patienten sogar einen Rückgang einer Versteifung der Leber bewirken können.“
Nicht immer gelingt es jedoch, Leberschäden rechtzeitig zu erkennen, um die gefährliche Chronifizierung von Entzündungsprozessen zu vermeiden. Ist bereits eine Leberzirrhose oder ein Karzinom entstanden, können den betroffenen Patienten spezialisierte Behandlungsmöglichkeiten angeboten werden, bei denen Hepatologen, Onkologen und Radiologen zusammenarbeiten. Dazu gehört beispielsweise die minimal-invasive Ablation, bei der Tumore der Leber durch Hitze zerstört werden.
Kritisch kranke Patientinnen und Patienten
Da die Leber eine entscheidende Rolle bei der Immunabwehr spielt, gehört eine Infektion zu den größten Gefahren für Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung, kann diese doch eine unkontrollierte Entzündungsreaktion auslösen. Werden durch eine Blutvergiftung weitere Organe in Mitleidenschaft gezogen, kann es zu einem „akut-auf-chronischen Leberversagen“ (ACLF) kommen. Dann wird der Patient auf einer Überwachungsstation engmaschig beobachtet oder sogar intensivmedizinisch behandelt.
Als letzte Therapieoption kommt bei ausgewählten Patienten eine Transplantation des unwiderruflich geschädigten Organs in Frage. Der Fachbereich Hepatologie kooperiert bei der Versorgung von Patienten in dieser weit fortgeschrittenen Krankheitsphase eng mit dem Klinikum Großhadern, einem der größten Lebertransplantationszentren in Deutschland, wo dieser anspruchsvolle Eingriff mit hohen Erfolgsraten durchgeführt wird. Nicht immer ist jedoch ein geeignetes Spenderorgan schnell verfügbar. Denjenigen Patienten, die auf eine Lebertransplantation warten müssen, können die Leberspezialisten im Klinikum durch die Anlage eines sogenannten TIPS helfen, die kritische Phase mit eingeschränkter Leberfunktion möglichst komplikationsfrei zu meisten.
TIPS: Zeitweise Überbrückung bis zur Lebertransplantation
Bei einem „Transjugulären Intrahepatischen Portosystemischen Shunt“, kurz TIPS, handelt es sich um eine über Gefäße geschaffene Verbindung zwischen der Pfortader und der Lebervene durch die Leber hindurch. Diese reduziert den Überdruck in der zur Leber führenden Pfortader, wenn bei Patienten der Blutfluss in die Leber gestört ist. Durch einen solchen Überdruck kann es dazu kommen, dass sich das Blut andere Wege zum Herzen sucht, wodurch plötzliche und lebensgefährliche Blutungen drohen, und Bauchwasser entsteht.
Bei dem Verfahren wird ein künstlicher Kanal durch die Leber zwischen der Pfortader und einer Lebervene angelegt, um den Blutfluss zu umleiten und den Druck zu senken sowie einen Blutstau zu vermeiden. Während des minimalinvasiven, kathetergestützten Eingriffs arbeiten Radiologen mit Anästhesisten zusammen.
In manchen Fällen dient TIPS nur als kurzfristige Übergangslösung; mitunter gelingt es jedoch, eine Lebertransplantation zu verhindern. „Bei Patientin mit Leberzirrhose ist es unsere Aufgabe, die Betroffenen für mögliche Komplikationen zu sensibilisieren und stets ein offenes Ohr und eine offene Türe für diese Patienten zu haben, da ein Teufelskreis, der von einer zur nächsten Komplikation führt, nur durch frühzeitiges Handeln verhindert werden kann.“
Vorabauszug aus dem Patientenmagazin visavis 52, das im September erscheint.
Wie man selbst zur Lebergesundheit beitragen kann:
- möglichst wenig oder bestenfalls kein Alkohol
- gesundes Körpergewicht
- ausgewogene Ernährung
- regelmäßige Bewegung und Sport
- wirksame Behandlung von Vorerkrankungen wie Diabetes oder erhöhten Blutfettwerte
- Wahrnehmen von Check-up-Untersuchungen beim Hausarzt