Auf der Intensivstation: Wie der Spagat zwischen Hightech-Medizin und Fürsorge gelingt
Fortschritte in der Intensivmedizin in den letzten 20 Jahren haben großen Einfluss auf die Behandlung vieler Erkrankungen genommen. Während früher viele Patienten die meist schwierig verlaufende Frühphase bestimmter Krankheiten nicht überlebten, ist es heute dank der modernen Intensivmedizin immer öfter möglich, den Betroffenen über diese komplikationsreiche Krankheitsphase hinwegzuhelfen und damit die Chance auf eine langfristige Heilung zu verbessern.
Gute Beispiele hierfür sind Diagnosen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, akute Herzschwäche, Lungenentzündung sowie die frühe Phase nach großen operativen Eingriffen wie etwa im Bereich der Darmchirurgie oder gar der Herz- oder Bauchspeicheldrüsenchirurgie. Viele dieser Krankheitsbilder gehören zu den zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland, wodurch die Bedeutung dieser Entwicklung noch unterstrichen wird.
Wie kam es zu dieser Verbesserung?
PD Dr. Florian Weis: Auf der einen Seite stehen uns heute eine Reihe neuer technischer Möglichkeiten zur Verfügung, wie zum Beispiel Geräte zur differenzierten, zeitweisen Überbrückung eines Ausfalles der Atem-, Kreislauf-, Nieren- und auch Leberfunktion. Die meisten dieser Verfahren können am Klinikum Fürstenfeldbruck sicher und qualitativ hochwertig angeboten werden. In weniger als fünf Fällen pro Jahr, und damit nur äußerst selten, müssen wir Patienten an ein größeres Zentrum verlegen, weil in unserem Klinikum die notwendigen intensivmedizinischen Ressourcen nicht vorhanden sind. Mit dieser positiven Bilanz können wir unseren Anspruch, die Bevölkerung des Landkreises vor Ort gut und umfassend zu behandeln, weitgehend erfüllen. Dementsprechend können wir unseren Patienten auf 13 der vorhandenen 15 Behandlungsplätzen eine differenzierte Beatmungstherapie zuführen. Vier Patienten können gleichzeitig einer „Blutwäsche“ bei Ausfall der Nierenfunktion unterzogen werden. An allen Plätzen ist eine Kreislauf- sowie Ernährungstherapie möglich. Diese zeit-, personal- und kostenintensiven Verfahren sind nur durch die enge Zusammenarbeit des Ärzte-Teams, dem sehr motivierten und engagierten Pflegepersonal und den Physiotherapeuten möglich.
Welche Konsequenzen haben diese Verbesserungen für die Intensivmedizin?
Die bloße technische Machbarkeit sollte nie die alleinige Maxime für ein Therapiekonzept sein: Im Zentrum der intensivmedizinischen Behandlung steht der Patient als Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen. Leider können viele unserer Patienten ihre persönlichen Wünsche und Erwartungen nach Aufnahme auf die Intensivstation nicht mehr selbst adäquat äußern. In diesen Situationen arbeiten wir eng mit den Angehörigen zusammen. Sie können uns häufig Auskunft über den Patienten und seinen Willen geben. Denn oft wissen nur die Angehörigen, ob der Patient zum Beispiel eine entsprechende Patientenverfügung verfasst hat oder einen seiner Angehörigen für seine medizinischen Belange mit einer Vorsorgevollmacht zum Ansprechpartner gemacht hat.
Sollten diese Vorkehrungen im Vorfeld einer Erkrankung nicht getroffen worden sein, versuchen wir so schnell wie möglich den mutmaßlichen Willen jedes Patienten herauszufinden, um ihn nicht nur medizinisch optimal, sondern auch seinen Wünschen entsprechend zu behandeln. So stellt sich heute nicht notwendigerweise die Frage, wie viel Medizin für den Patienten möglich ist, sondern vielmehr, wie viel Medizin für den jeweiligen Patienten vor dem Hintergrund seiner Vorerkrankungen, seines Lebensalters und vor allem seines Willens sinnvoll ist.
Wie sieht Therapielimitierung auf der Intensivstation aus?
Ist ein heilender oder lebensverlängernder Therapieansatz bei guter Lebensqualität nicht möglich, bieten wir auf der Intensivstation auch eine palliativmedizinische Behandlung an. Bei dieser an den Symptomen orientierten Therapie werden wir von den Angehörigen häufig gefragt, ob „dann einfach nichts mehr gemacht wird“.
Dies ist keineswegs der Fall: Der palliative Therapieansatz unterscheidet sich vom kurativen ausschließlich in Bezug auf das Therapieziel, nicht jedoch auf den Therapieaufwand oder gar die Qualität der Pflege.
Gerade die Begleitung Sterbender fordert dem Behandlungsteam aus Ärzten und Pflegekräften besondere Fähigkeiten ab, die in speziellen Fortbildungen erlernt werden müssen. Die Wünsche und die Würde des Patienten stehen gerade im Prozess des Sterbens im absoluten Mittelpunkt. Einerseits geht es darum, den Patienten vor unangenehmen Empfindungen wie Angst, Schmerz und Atemnot zu bewahren, anderseits wollen wir unseren Patienten möglichst lange einen kommunikativen Kontakt zu ihren Angehörigen ermöglichen.
Diese Aspekte der Intensivmedizin stehen hierbei keineswegs im Gegensatz zur beschriebenen hoch-technisierten lebenserhaltenden Medizin. Sie sind vielmehr eine natürlich gewachsene Ergänzung, um einer Gesellschaft von selbstbestimmten, immer älter werdenden Menschen gerecht zu werden.
Möglichkeiten der Intensivstation
Auf der Intensivstation des Klinikums Fürstenfeldbruck werden jährlich ca. 1.000 Patienten behandelt. Dafür stehen insgesamt 15 Plätze für alle modernen Überwachungsmethoden und Therapieverfahren bereit. Die „Säulen“ der Intensivmedizin sind dabei:
• Sauerstoffversorgung des Patienten (Beatmung)
• Differenzierte Infusionstherapie
• Kontrolle und Optimierung aller Organfunktionen
• Ernährungstherapie
• Diagnose und Therapie von Infektionen
• Schmerztherapie
Im ärztlichen Team der Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin haben fünf Ärzte die besondere Zusatzqualifikation Intensivmedizin. Einer dieser speziell qualifizierten Ärzte ist stets dauerhaft mit der Leitung der operativen Intensivstation betraut.