Im Kampf gegen Darmkrebs arbeiten die Teams der Fachbereiche Gastroenterologie und Onkologie unter Chefarzt PD Dr. med. Michael Selgrad sowie der Allgemein- und Viszeralchirurgie unter Chefarzt Prof. h.c. PD Dr. med. Dr. med. h.c. Fritz Spelsberg eng zusammen

Durch eine Darmspiegelung kann eine Krebserkrankung oftmals verhindert oder aber in einem heilbaren Stadium erkannt werden. Wenn beim Blick ins Innere des Darms Vorstufen bösartiger Tumoren, sogenannte Polypen, oder auch fortgeschrittene Karzinome entdeckt werden, bietet das Klinikum Fürstenfeldbruck das komplette Spektrum an modernen Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten. Patient*innen aus dem Landkreis können wohnortnah eine hochwertige Behandlung in Anspruch nehmen, bei der sich fachliche Expertise nach aktuellen internationalen Standards und konsequente Orientierung an den persönlichen Bedürfnissen der Betroffenen in idealer Weise ergänzen.

visavis: Trotz aller nachgewiesenen Erfolge der Darmkrebsvorsorge nimmt nur jeder Fünfte den Anspruch auf Teilnahme am gesetzlichen Früherkennungsprogramm wahr. Wie erklären Sie sich diese Zurückhaltung?

PD Dr. Selgrad: Offensichtlich trauen sich viele Menschen nicht zur Vorsorge, weil sie Angst vor einer unangenehmen Untersuchung haben. Das ist völlig unbegründet, denn eine Koloskopie, so der Fachbegriff für die Darmspiegelung, kann auch unter einer Kurznarkose durchgeführt werden und dauert nicht länger als eine halbe Stunde. Ich bedaure die Vorbehalte sehr, zumal viele der rund 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr durch eine rechtzeitige Darmspiegelung vermieden werden könnten. Tödliche Verläufe von Darmkrebs – immerhin noch 25.000 Fälle – ließen sich so deutlich reduzieren.

Die Diagnose und Behandlung von Polypen und Frühkarzinomen kann heute meist ohne Operation durchgeführt werden. Welche Methoden bieten Sie hierfür im Klinikum Fürstenfeldbruck an?

PD Dr. Selgrad: Im Fachbereich Gastroenterologie und Onkologie setzen wir alle gängigen endoskopischen Verfahren ein, um Polypen wie auch Frühkarzinome ohne größere Belastung der Patientin bzw. des Patienten zu entfernen. Abhängig von den individuellen Voraussetzungen sowie Art und Größe des Polypen oder des Tumorgewebes kommen beispielsweise die konventionelle Schlingenpolypektomie oder die endoskopische Mukosaresektion (EMR)in Frage.

Seit kurzem ergänzt die „kolorektale Vollwandresektion“ die nicht-operativen Behandlungsoptionen in Ihrem Fachbereich? Welche Vorteile hat dieses Verfahren?

PD Dr. Selgrad: Etablierte Methoden wie EMR stoßen mitunter an Grenzen, wenn sich das krankhafte Gewebe nicht von der Muskelschicht abheben lässt oder an empfindlichen Stellen im Darm befindet. Bei der ebenfalls endoskopisch durchgeführten kolorektalen Vollwandresektion entfernen wir alle Schichten der Darmwand auf schonende Weise. So können wir verhindern, dass Polypen in fortgeschrittenen Tumorvorstufen nach der Entfernung erneut auftreten. Bei der Behandlung kommt an der Spitze des Endoskops ein Metallclip zum Einsatz, der die gesunde Darmschleimhaut nach Entfernen des verdächtigen Gewebes wieder verschließt. In einem Arbeitsgang wird zunächst der Wandverschluss und unmittelbar danach die Gewebsentnahme durchgeführt. So behandelte Patient*innen können die Klinik nach kurzer Zeit wieder verlassen.

Prof. Dr. Spelsberg und PD Dr. Selgrad bei der Besprechung während einer Endoskopie.

Was kommt auf Patient*innen zu, wenn bei den Untersuchungen ein Tumor nachgewiesen wird?

Prof. Dr. Spelsberg: Für Patient*innen, die mit Verdacht auf Darmkrebs in unser Klinikum kommen, startet ein strukturierter Behandlungspfad entlang der aktuellen Leitlinien. Dabei bieten wir alle erforderlichen Untersuchungen, nichtoperative und operative Behandlungen sowie weitere Therapien aus einer Hand. So können wir der Patientin oder dem Patienten oftmals zusätzlich belastende Wege und unnötige Zeitverzögerungen ersparen. Als akademisches Lehrkrankenhaus der medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität ist unser Haus „Miglied des Tumorzentrums München“. Der Austausch und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Krebsspezialisten unterschiedlicher Fachgebiete wirkt sich generell sehr positiv auf unsere onkologische Patientenversorgung aus, auch bei Patient*innen mit dem Befund Darmkrebs. Alle an der Behandlung beteiligten Krebsexpert*innen tauschen sich in regelmäßigen Tumorkonferenzen zum Befund, zum aktuellen Stand und zu den nächsten Schritten der Behandlung aus. Besonders wichtig ist uns auch das vertrauensvolle persönliche Gespräch mit jedem einzelnen Patienten sowie den Angehörigen. Wir versuchen stets, unsere jeweiligen Therapieempfehlungen verständlich und nachvollziehbar zu erläutern und auf mögliche Sorgen der Betroffenen einzugehen.

PD Dr. Selgrad: Am Anfang des strukturierten Behandlungspfads steht die präzise Tumordiagnostik. Wichtig sind hierbei die modernen bildgebenden Verfahren unseres Fachbereichs Radiologie, denn sie geben Aufschluss über den Ausbreitungsgrad eines Tumors. Ergänzend können über Gewebsproben auch dessen biologische Eigenschaften analysiert werden. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, vor einer Operation eine Strahlentherapie durchzuführen. Durch unsere enge Kooperation mit der Praxis für Strahlentherapie in direkter Nachbarschaft zum Klinikum sind auch in diesem Fall die Wege zu einer qualitativ hochwertigen Behandlung sehr kurz.

Welche Operationsverfahren kommen dann in Betracht?

Prof. Dr. Spelsberg: Eine Operation ist für viele Darmkrebspatient*innen die aussichtsreichste Behandlungsmöglichkeit. Tumoroperationen am Darm können entweder konventionell durch einen offenen Eingriff mit Schnitt oder minimalinvasiv durchgeführt werden. Wann immer möglich, wenden wir im Fachbereich Allgemein- und Viszeralchirurgie des Klinikums moderne „Schlüssellochverfahren“ an, da sich die Patient*innen in der Regel schneller davon erholen.

Mit welchen Folgen müssen Betroffene bei der operativen Darmkrebstherapie rechnen?

Prof. Dr. Spelsberg: Kann ein Dickdarmkarzinom vollständig entfernt werden, ist eine dauerhafte Heilung möglich. Besonders bei lokal begrenzten Tumoren sind die Heilungschancen nach der Entfernung des Karzinoms gut. Aber auch, wenn ein Stück des Dickdarms entfernt wird, kann die Lebensqualität erhalten bleibenbzw. wiedergewonnen werden. Das gilt selbst in den Fällen, in denen vorübergehend oder auch dauerhaft ein künstlicher Darmausgang angelegt werden muss. Ein solches Dickdarmstoma ermöglicht bei richtiger Pflege ein Leben mit relativ geringen Einschränkungen. Nach einer anfänglichen Gewöhnungsphase kann man üblicherweise wieder normal essen und trinken.

Wie gestaltet sich die Nachsorge für Darmkrebspatient*innen?

Prof. Dr. Spelsberg: Nach einer Darmkrebsoperation empfehlen wir ein stturiertes Nachsorgeprogramm, um frühzeitig Metastasen oder Rezidive, d. h. wiederauftretende Tumore, erkennen und behandeln zu können. Dies wird abhängig vom Tumorstadium, Alter und Allgemeinzustand in der interdisziplinären Tumorkonferenz individuell angepasst. Zur Darmkrebsnachsorge gehören z. B. Darmspiegelung, Blutabnahme und Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes. Neben medizinischen Nachsorgeuntersuchungen können jedoch auch andere Unterstützungsangebote zur Krankheitsbewältigung hilfreich sein: Bei Bedarf können Patient*innen die Hilfe von spezialisierten Fachleuten ausden Bereichen Psychoonkologie, Ernährungsberatung, Stomaberatung oder Physiotherapie in Anspruch nehmen. Im Klinikum Fürstenfeldbruck erhalten alle Patient*innen nach einer stationären onkologischen Behandlung vor der Entlassung einen persönlichen „Tumornachsorgepass“. In diesem Dokument werden alle Untersuchungen und Therapien im Zuge der Krebsbehandlung und Nachsorge dokumentiert, so dass weiterbehandelnde Fachleute jederzeit auf alle relevanten Informationen zurückgreifen können.

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