Wundbehandlung ist Teamarbeit

Dr. med. univ. Kurt Dejori
Chefarzt Fachbereich Gefäßchirurgie

Herr Dr. Dejori, welchen Beitrag leistet Ihr Fachgebiet, die Gefäßchirurgie, im modernen Wundmanagement?

Dr. Kurt Dejori: Wunden sind ein klassisches Betätigungsfeld der Gefäßchirurgie. Rund 80 % der chronischen Wunden sind auf krankhafte Veränderungen der Gefäße zurückzuführen. Gefäßmedizinern kommt daher im Hinblick auf Diagnostik und Therapie eine Schlüsselrolle zu. Die Gefäßchirurgie kann – im Gegensatz zu anderen Fachdisziplinen – Dia­gnostik, Kausaltherapie, Wundchirurgie sowie plastisch-rekonstruktive Maßnahmen „aus einer Hand“ anbieten.

Katja Teubner
Stabsstelle Wundmanagement

Frau Teubner, als Wundmanagerin und auf Wunden spezialisierte Pflegetherapeutin wirken Sie an einer Stabsstelle im Klinikum. Für welche Aufgaben sind Sie verantwortlich?

Katja Teubner: Zu meinen Aufgaben gehören eine strukturierte, interdiszi­plinäre Versorgung von Wunden im Rahmen der Begutachtung, Therapieempfehlungen in Bezug auf Produkte aus der Wundversorgung und deren Einsatzmöglichkeiten sowie den Hilfsmitteleinsatz. Tätig bin ich auch in der Beratung, Schulung und Anleitung, der Versorgung und Dokumentation chronischer Wunden bei Patienten in Zusammenarbeit mit den Medizinern und Pflegekräften der unterschiedlichen Fachabteilungen unseres Klinikums. Die Einleitung der Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln in Zusammenarbeit mit den Sanitätshäusern sowie die Überleitung der Patienten in die häusliche Umgebung oder in ein Pflegeheim ist ebenfalls eine Aufgabe. Wichtig ist hierbei das Einbeziehen der Betroffenen selbst und ihrer Angehörigen, gilt es doch auch, die Selbstpflegekompetenz von Menschen mit chronischen Wunden zu fördern und zu erhalten. Außerdem gebe ich mein Fachwissen über interne und externe Fortbildungen, im Rahmen von Fallbesprechungen sowie Visitenbegleitung weiter. Ich erstelle Standards, führe die Qualitätssicherung durch, begleite Testungen von neuen Produkten aus dem Wundmarkt im Klinikum und kodiere die chronischen Wunden.

Sie arbeiten bei der Versorgung von chronischen Wunden eng mit den Gefäßchirurgen zusammen? Wie gestaltet sich diese Teamarbeit im Klinikalltag?

Katja Teubner: Bei der Versorgung chronischer Wunden, aber auch bei Wundheilungsstörungen nach einer Operation bedarf es der engen Abstimmung zwischen dem ärztlichen und pflegerischen Fachpersonal. Die Heilung oder zumindest Linderung chronischer Wunden gelingt am besten in multiprofessioneller Zusammenarbeit. Deswegen haben wir vor Jahren die Visitenbegleitung auf der Gefäßchirurgie zusammen mit dem Wundmanagement eingeführt. Hier können wir gemeinsam die jeweiligen Fachexpertisen mit einbringen. Am Anfang jeder Wundbehandlung steht die Abklärung der Ursache einer Wunde. Hierzu stehen uns am Klinikum verschiedene Untersuchungsmethoden zur Verfügung, z. B. Angiographie, MRT, CT, Dopplersonographie, Knöchel-Arm-Druck-Index und Laboruntersuchungen.

Wichtig ist aber auch ein umfassendes Verständnis der persönlichen Krankengeschichte eines jeden Patienten. Dafür führen wir eine Anamnese, ggf. unter Einbeziehung der Angehörigen, durch. Wir stellen fest, welche Voruntersuchungen es gibt, welches Therapieziel angestrebt werden soll, welche wund- und therapiebedingten Einschränkungen vorhanden sind, welche Lokaltherapie und allgemeinen Maßnahmen sowie Hilfsmittel schon eingesetzt wurden und welche Selbstmanagementkompetenzen von Patienten und ihren Angehörigen vorhanden sind.

In den vergangenen Jahrzehnten gab es bedeutende wissenschaftliche Fortschritte im Wundmanagement. Warum wird ein großer Teil der Wundpatienten in Deutschland dennoch bis heute nicht angemessen versorgt?

Dr. Kurt Dejori: Nach Angaben der Kostenträger kann in Deutschland von etwa 2,7 Millionen Wundpatienten ausgegangen werden. Bei einem Drittel davon kommt es bei ausbleibender Wundheilung zu einer chronischen Wunde. Mit Blick auf die demografische Entwicklung und Zunahme pflegebedürftiger Senioren dürfte diese Zahl in den kommenden Jahren weiterwachsen. Noch immer fehlt es im ambulanten Bereich häufig schon an grundlegenden Dingen: So erhalten mehr als die Hälfte aller Patienten mit einem venösen Druckgeschwür keine Kompressionstherapie und ein nahezu identischer Anteil wird nicht gemäß den Standards der modernen Wundbehandlung versorgt, d. h. mit hydroaktiven Wundauflagen entsprechend der individuell vorliegenden Wundheilungsphasen. Wir wünschen uns, dass sowohl bei den betroffenen Patienten als auch bei ihren behandelnden Ärzten die Einsicht wächst, dass eine innerhalb von sechs Wochen nicht abgeheilte Wunde einem Gefäßchirurgen vorgestellt werden muss.  Nur so kann der Patient frühzeitig einer angemessenen Kausaltherapie zugeführt werden.