Neurologie: Zusätzliche Kompetenz für die Diagnostik von Schluckstörungen

Dr. med. Julia Schubert absolvierte ihre fachärztliche Weiterbildung auf dem Gebiet der Neurologie von 2013 bis 2018 in der München Klinik Harlaching, wo sie schwerpunktmäßig als Stationsärztin im Neurozentrum im Bereich der Neurologischen Intensivmedizin tätig war. Seit im Oktober 2021 arbeitet sie als Oberärztin in der Abteilung Neurologie + Stroke Unit des Klinikums Fürstenfeldbruck an der Seite der Leitenden Ärztin Dr. med. Anna Bayer-Karpinska.

Ein Arbeitsschwerpunkt von Dr. Julia Schubert ist die intensive Akutversorgung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten auf der zertifizierten Stroke Unit. Das zweite Standbein ihrer Fachabteilung ist die neurologischen Allgemeinstation für die Behandlung von Epilepsien, Parkinson, demenziellen Erkrankungen, Entzündungen und Tumoren des Gehirns und des Rückenmarks sowie anders verursachten Nervenschädigungen. Rund 700 Patientinnen und Patienten betreut das interdisziplinär arbeitende Team der Abteilung Neurologie + Stroke Unit pro Jahr. Ein neurologischer Hintergrunddienst ist 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche zum Einsatz bereit. Außerdem werden die Stationen und die Zentrale Notaufnahme des Klinikums sowie die kbo-Klinik am Standort Fürstenfeldbruck durch konsiliarische Dienste unterstützt.

Schluckuntersuchung kann Versorgung verbessern
Im Zuge der Weiterentwicklung seiner zertifizierten Stroke Unit hat das Klinikum beschlossen, ergänzend zu den umfassenden neurologischen Diagnostik-
Möglichkeiten die flexible endoskopische Schluckuntersuchung, kurz FEES (Flexible Endoscopic Evaluation of Swallowing), einzuführen. Diese Methode bewährt sich als sicheres und gut verträgliches Verfahren zur Abklärung von Schluckstörungen (Fachbegriff: Dysphagie). Die FEES-Untersuchung kann direkt am Patientenbett durchgeführt werden und eignet sich somit auch für den Einsatz auf der Schlaganfall- oder Intensivstation.

Die Methode erlaubt eine differenzierte Beurteilung des Sekretmanagements im Rachenraum sowie der Effizienz von Reinigungsmechanismen wie Husten und Räuspern. Dabei wird der Schluckakt direkt sichtbar gemacht, indem ein flexibles „Nasopharyngolaryngoskop“ über den unteren Nasengang in den Rachen eingeführt wird und dem Patienten verschiedene Konsistenzen unter Sicht zum Schlucken angeboten werden.

Dr. Julia Schubert ergriff die Gelegenheit, um die anspruchsvolle Zusatzausbildung FEES anzupacken. Die Kosten übernahm ihr Arbeitgeber. Den theoretischen Teil des Ausbildungscurriculums, das von der Deutschen Fachgesellschaft für Neurologie und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft entwickelt wurde, absolvierte die Oberärztin bereits zu Beginn 2022. Die praktische Ausbildung umfasst jeweils 30 direkte und indirekte FEES-Untersuchungen, davon je fünf komplexe Fälle. Diese führt sie derzeit unter der Supervision einer erfahrenen FEES-Ausbilderin am Klinikum Großhadern durch, bevor sie nach einer erfolgreichen praktischen Prüfung das FEES-Zertifikat entgegennehmen darf. Bereits jetzt freut sie sich darauf, voraussichtlich Mitte 2023 die endoskopische Schluckuntersuchung gemeinsam mit der entsprechend qualifizierten Logopädin Nicola Lemmer aus einer kooperierenden Praxisgemeinschaft in Fürstenfeldbruck im Klinikum anbieten zu können.

„Neurogene Dysphagie ist eines der häufigsten und klinisch schwerwiegendsten Symptome von neurologischen Erkrankungen. Etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten, die wir nach Schlaganfall auf unserer Stroke Unit behandeln, entwickeln eine Schluckstörung. Auch bei neurodegenerativen oder neuromuskulären Erkrankungen treten bedrohliche Schluckstörungen mit stillen Aspirationen, recht häufig auf. Die Erweiterung unserer diagnostischen Möglichkeiten durch die FEES-Methode wird die hohe Versorgungsqualität unserer Fachabteilung nochmals steigern. Die bei der FEES-Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse machen in vielen Fällen einen verbesserten Umgang mit der Schluckstörung, etwa für geeignete Ernährungsformen, möglich. Typische Komplikationen wie Lungenentzündung, Mangelernährung und Dehydratation können wir damit wirksam vorbeugen,“ erläutert Dr. Julia Schubert die Vorteile ihrer Zusatzqualifikation.

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Wie funktioniert eigentlich das Schlucken?

Etwa tausend Mal am Tag schluckt der  Mensch. An dem Vorgang, bei dem flüssige und feste Nahrung sowie Speichel in vier Phasen vom Mund in den Magen gelangt,  sind eine Vielzahl von Nervenzellen im Großhirn und Hirnstamm beteiligt. Sie sorgen dafür, dass mehr als 30 Muskelpaare effizient und störungsfrei zusammenarbeiten.  Im Mund aufgenommene Getränke und Speisen müssen über die verschlossene Luftröhre hinweg nach hinten zur parallel verlaufenden Speiseröhre transportiert werden. Dringen Flüssigkeiten, Nahrung oder auch Speichel in die tiefen Atemwege ein, wird bei gesunden Menschen Husten oder Räuspern ausgelöst. Bei neurologischen Einschränkungen hingegen passiert das „Verschlucken“ jedoch häufig ohne diesen Schutzreflex.
Durch die FEES können diese  stillen Aspirationen, die häufig eine Lungenentzündung zur Folge haben, sichtbar  gemacht werden.

Das Bild links zeigt den Kehlkopf in der „home position“ (Position der Sonde, um den besten Überblick über die Strukturen zu haben), das rechte die „deep view“, bei der nochmal explizit in den vorderen Abschnitt der Luftröhre geschaut wird, um Aspirationen zu sehen. Mithilfe des FEES-Endoskops kann man die pharyngeale Phase (s. Schema oben) des Schluckvorgangs verfolgen und erkennen, wenn der Ablauf gestört ist.