Karussell im Kopf:
Schwindel, ein Symptom mit vielfältigen Ursachen und Therapieanforderungen

Bei den einen dreht sich plötzlich die Umgebung, bei anderen schwankt der Untergrund und manche fühlen sich nach oben, nach unten oder zur Seite gezogen – so unterschiedlich kann sich Schwindel äußern. Häufig taucht er nur in bestimmten Situationen auf und verschwindet dann wieder. Im Gegensatz zu diesen akuten Schwindelattacken kann sich aber auch eine anhaltende Benommenheit oder Gleichgewichtsstörung entwickeln, die dann als chronischer Schwindel bezeichnet wird.

Nur wenn ein komplexes Zusammenspiel von Innenohr, Gehirn, Augen, peripherem Nervensystem mit Rückmeldung aus den Gelenken und Sehnen sowie sensiblen Nerven und teils auch des autonomen Nervensystems reibungslos funktioniert, empfindet ein Mensch keinen Schwindel. Häufig kommt es allerdings zu Störungen in diesem System. So klagen etwa 40 Prozent der Menschen jenseits der 80 Jahre über unterschiedliche Ausprägungen von Schwindel. Im Fachgebiet Neurologie ist Schwindel nach Kopfschmerz das häufigste Leitsymptom.

Den Schwindel richtig einordnen
Oft können Schwindelbeschwerden durch eine geeignete Behandlung deutlich gelindert oder sogar komplett geheilt werden. Entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung ist, dass zunächst eine verlässliche Diagnose gestellt wird. Denn für die unterschiedlichen Schwindelformen kommen vielfältige Ursachen in Frage.

An erster Stelle steht ein ausführliches Arzt-Patient-Gespräch, bei dem die Art des Schwindels (Dreh-, Schwank- oder Benommenheitsschwindel), die Dauer der Schwindelepisoden, mögliche Auslöser sowie Begleitsymptome erfasst werden. Zu klären ist beispielsweise auch, ob zusätzlich Beschwerden wie Tinnitus, Hörminderung, Doppelbilder, Gesichtsfeldausfälle, Kopfschmerzen oder Koordinationsstörungen aufgetreten sind. Auch relevante Vorerkrankungen müssen berücksichtigt werden. In den weiterführenden Untersuchungen gibt es mitunter Überlappungen der Untersuchungstechniken, die in den Fachgebieten Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Neurologie angewendet werden. In manchen Fällen können auch internistische Untersuchungen, etwa des Herz-Kreislauf-Systems, sinnvoll sein.

Um der Ursache auf den Grund zu gehen, empfiehlt sich eine fachärztliche Diagnose. Die richtige Anlaufstelle können Fachärzte aus der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Neurologie oder Inneren Medizin sein. Auch die Fachkompetenz eines Augenarztes oder Psychiaters bzw. Psychotherapeuten kann gefragt sein.

Welche Art von Schwindel liegt vor?
Bei Schwindelbeschwerden, die vom Gleichgewichtssystem ausgehen, dem sogenannten vestibulären Schwindel, unterscheidet man zwischen zentralen und eripheren Ursachen. Für Schwindelformen, die unabhängig vom Gleichgewichtssystem auftreten, können funktionelle sowie internistische Ursachen eine Rolle spielen. Zentrale vestibuläre Schwindelanfälle haben ihren Ursprung im Gehirn. Hierbei handelt es sich meistens um einen Schwankschwindel, der oft mit weiteren Symptomen einhergeht. Dabei gilt es abzuklären, ob ein Hirnstamminfarkt oder Blutungen in den Hirnstammstrukturen dahinterstecken. Ebenso kommen Tumoren des Hirnstamms oder im Kleinhirn in Frage oder aber Schädel-Hirn-Traumen als Folge eines Unfalls oder einer Verletzung.

Bei peripherem vestibulärem Schwindel, der oft als Drehschwindel auftritt, kommen als Ursache Störungen des Gleichgewichtsorgans oder des Gleichgewichtsnervs in Frage. Auch eine Entzündung des Nervs kann den Schwindel auslösen. Eine weitere Form ist der „funktionelle“ Schwindel, der ohne nachweisbare organische Ursachen, oft in Verbindung mit psychischen Störungen, auftritt. Depressionen oder Angststörungen, etwa die Angst vor großen Plätzen, engen Räumen oder bestimmten Tieren, können einen solchen „psychogenen“ Schwindel auslösen.

Begleitsymptome sind nicht selten Zittern, Herzrasen, Schwitzen oder Atemnot bis hin zu schlimmen Panikattacken. Auch nach einer durchgemachten Schwindelerkrankung kann ein funktioneller Schwindel bleiben. Nicht bei jedem Schwindelgefühl ist gleich der Gang zum Arzt notwendig. So kann eine vorübergehend gestörte Wahrnehmung der Umgebung beispielsweise von einem niedrigen Blutdruck ausgelöst werden. Durch veränderte Verhaltensweisen, etwa Vermeidung von schnellem Aufstehen, bekommen die Betroffen solche Schwindelattacken meist selbst in den Griff. Doch es gibt auch Fälle, in denen der Schwindel keineswegs auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Bei rund einem Viertel der Patient*innen, die sich mit akutem Schwindel in der Hausarztpraxis vorstellen, muss von einer ernsthaften Erkrankung ausgegangen werden. Unbehandelt können Gangunsicherheit und Stürze Folgen von Schwindel sein.

Lagerungsschwindel – unangenehm, aber harmlos
Die häufigste Art von peripherem Schwindel ist der gutartige Lagerungsschwindel, auch Positionsschwindel genannt (Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel BPLS; engl. BPPV). Zu dieser Störung des Gleichgewichtsorgans kann es kommen, wenn sich Kristalle aus Calciumcarbonat aus der Membran in einem schlauchartigen Bogengang des Innenohrs ablösen. Wenn sich diese „Ohrsteinchen“ (Othokonien) dann frei bewegen, verursachen sie eine zusätzliche Reizung der Sensorzellen und bringen das Gleichgewichtssystem durcheinander. Dies äußert sich in kurzen Episoden von teils heftigen Drehschwindelattacken, sobald die Kopfhaltung verändert und dabei der entsprechende Bogengang des Innenohrs stimuliert wird. Typischerweise tritt diese Empfindung morgens auf und kann beim Umdrehen oder Aufrichten im Bett, Hinlegen oder Bücken ausgelöst werden.

Mit einer Spezialbrille, Frenzel-Brille genannt, lassen sich ruckartige Augenbewegungen (Nystagmus) erkennen, die auf die Schwindelursache hinweisen.

Die Diagnose erfolgt in der Regel durch Anamnese und körperliche Untersuchung mit bestimmten Lagerungsmanövern, durch die der Schwindel ausgelöst werden kann. Meist zeigt sich ein spezifischer „Nystagmus“, also ruckartige Bewegungen in den Augen. Wenn ein gutartiger Lagerungsschwindel nicht von allein verschwindet, hilft in den allermeisten Fällen ein gezieltes Befreiungsmanöver. Bei dieser gängigen Behandlungsmethode können die Störungen im Gleichgewichtsorgan durch eine bestimmte Abfolge von Kopfbewegungen und Körperhaltungen beseitigt werden.

Weitere neurologische und internistische Ursachen von Schwindel
Im Klinikum Fürstenfeldbruck arbeiten die Spezialisten aus den Fachbereichen Neurologie sowie Innere Medizin eng zusammen, wenn es um Diagnose und Therapie von bedrohlichen Schwindelursachen geht. Eine interdisziplinäre Abklärung, wie sie im Klinikum möglich ist, kann helfen, den oftmals komplexen Ursachen von Schwindel auf die Spur zu kommen. Zu den häufigen internistischen Ursachen gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa Herzrhythmusstörungen, eingeschränkte Herzleistung oder eine Klappenstenose, also eine verengte Herzklappe. Auch Schilddrüsenfehlfunktionen, hoher Blutdruck und das Vorliegen einer Anämie kommen aus internistischer Sicht in Frage. Neben Langzeit-EKG, Herzecho, 24-Stunden-Blutdruckmessung und Blutuntersuchungen können beispielsweise ein Schellong-Test zur Kreislaufprüfung und weitere klinische Funktionsprüfungen klärende Befundhinweise geben.

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Schwindelzentrum der LMU