Klinische Akut- und Notfallmedizin – Über die Grenzen der Fachgebiete hinausdenken

In der Zentralen Notaufnahme (ZNA) werden täglich viele Patientinnen und Patienten aufgenommen, häufig mit unspezifischen Symptomen wie Bauchschmerzen. Für die Ärztinnen und Ärzte gilt es dann, zügig die richtige Erstdiagnose zu stellen und die passende Fachabteilung hinzuzuziehen. Eine spezielle Zusatzqualifizierung bereitet sie darauf vor.

visavis: Herr Dr. Poetzsch, wie erkennen Sie die Dringlichkeit einer Behandlung, wenn jemand mit unspezifischen Symptomen wie „Bauchweh“ in die Zentrale Notaufnahme kommt?

Dr. Marian Poetzsch: Die erste Einschätzung von unspezifischen Symptomen ist für unser Ärzteteam in der Notaufnahme tatsächlich eine Herausforderung, der wir uns täglich stellen müssen. Neben der akuten Behandlung im Notfall und dem Erkennen von eventuell lebensbedrohlichen Symptomen gilt es, schnell die mögliche Ursache der Beschwerden herauszufinden und die passende Fachabteilung hinzuzuziehen.

Wie gehen Sie in der Zentralen Notaufnahme dann konkret vor?

Dr. Marian Poetzsch: In der Notaufnahme findet für alle Patientinnen und Patienten eine erste Einschätzung statt, die sogenannte Triage. Liegen lebensbedrohliche Symptome vor, erfolgt eine Behandlung in unserem speziell ausgestatteten Schockraum. Bei Schmerzen erhält die Patientin oder der Patient ein Schmerzmittel. Zu den Fragen, die wir bei Bauchschmerzen üblicherweise stellen, gehört: Wie lange bestehen die Schmerzen schon? In welchem Bereich des Bauches sind sie zu lokalisieren? Wo und seit wann tut es weh? Bestehen Grunderkrankungen oder liegt eine Schwangerschaft vor? Treten auch Kreislaufprobleme oder zusätzliche Beschwerden auf? Dabei geht es vor allem darum, kritische Alarmzeichen zu erkennen.

Was passiert nach dieser systematischen Befragung?

Dr. Marian Poetzsch: Im Anschluss an die Anamnese führen wir gemäß unserer generellen Leitlinien verschiedene Untersuchungen durch, etwa eine Tastuntersuchung, EKG, Urin- und Blutuntersuchungen oder eine Sonographie des Bauchraumes. Bei Bedarf veranlassen wir zur weiteren Klärung Röntgenaufnahmen oder eine Computertomografie. In dieser zweiten Phase lassen sich die Ursachen meist schon so gut eingrenzen, dass wir die geeigneten Spezialisten aus den jeweiligen Fachbereichen für eine tiefergehende Beratung hinzuziehen können.

Ist also das interdisziplinäre Denken eine besondere Herausforderung für das Team der Notaufnahme?

Dr. Marian Poetzsch: Generell legen wir im Klinikum großen Wert darauf, über den Tellerrand der einzelnen Fachgebiete hinauszudenken. In der ZNA ist das natürlich besonders wichtig. Daher ermöglichen wir allen Oberärztinnen und -ärzten die Zusatz-Weiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“. Eine generalistische Herangehensweise an die Diagnostik- und Therapieanforderungen unserer Patientinnen und Patienten wird auch gefördert durch den fachlichen Austausch, den wir regelmäßig innerhalb unseres Teams und mit den weiteren Abteilungen unseres Hauses pflegen.

 

Zusatzqualifizierung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“

Für Ärztinnen und Ärzte in der Notaufnahme gibt es eine spezielle Weiterbildung, um die komplexen Herausforderungen, die mit der Erstdiagnose und Akutbehandlung der Patientinnen und Patienten verbunden sind, kompetent zu meistern.

Die Zusatzbezeichnung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ gilt bislang im deutschsprachigen Raum als höchste Qualifizierung für notfallmedizinisch tätige Ärzte. In der Zentralen Notfallaufnahme (ZNA) des Klinikums Fürstenfeldbruck absolvieren alle Oberärzte die Weiterbildung, deren Schwerpunkt auf der fachübergreifenden Erstdiagnostik und Initialtherapie von Notfall- und Akutpatienten im Krankenhaus liegt. Im Rahmen der Weiterbildung werden fachliche Kompetenzen sowohl für die Indikationsstellung als auch für die Koordination der weiterführenden, meist interdisziplinären Behandlung vermittelt.

Voraussetzung für den Erwerb der Zusatzbezeichnung ist neben der Facharzt-Anerkennung in einem notfallmedizinisch relevanten Bereich wie Innere Medizin oder Unfallchirurgie ein spezieller Kurs sowie mindestens zwei Jahre Praxiserfahrung in einer interdisziplinären Notaufnahme. Hinzu kommen intensivmedizinische Kenntnisse und Rotationen in die Fachbereiche Pädiatrie, Gynäkologie und Psychiatrie.

(Der Beitrag findet sich auch im Patientenmagazin visavis 47)