Was zählt, ist der Mensch

In Akutkrankenhäusern wie dem Klinikum Fürstenfeldbruck erfüllt die „Zentrale Notaufnahme“ (ZNA) eine Schlüsselfunktion in der Notfallversorgung. Patienten mit schweren Verletzungen oder bedrohlichen Erkrankungen erhalten hier eine qualifizierte medizinische Erstversorgung – und das an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr!

Manche Patienten kommen aus eigener Initiative oder mit ärztlicher Einweisung in die ZNA, andere werden mit dem Rettungsdienst gebracht. Vor allem bei Notfallpatienten nach schweren Unfällen, Herzinfarkt oder Schlaganfall kommt es darauf an, schnell die richtigen Maßnahmen einzuleiten, um Leben zu retten. Für diese Kernaufgabe muss die ZNA jederzeit die nötigen Fachkompetenzen, Räumlichkeiten, Medizintechnik und nicht zuletzt Zeit vorhalten.

Keine leichte Aufgabe, zumal viele Patienten mit weniger bedrohlichen Beschwerden die ZNA ebenfalls als Anlaufstelle nutzen. Landauf, landab suchen die Verantwortlichen für die Notfallversorgung daher nach Wegen, um die mit der hohen Nachfrage verbundenen Herausforderungen zu meistern.

Dr. med. Marian Poetzsch ist seit Januar 2019 im Klinikum tätig und hat im Juli die Funktion des Chefarztes der ZNA übernommen.

Herr Dr. Poetzsch, mit Ihnen ist erstmals ein Chefarzt für die Zentrale Notaufnahme im Haus verantwortlich. Wie ist Ihre Abteilung personell aufgestellt?

Dr. Poetzsch: Da die Notaufnahme seit diesem Jahr als eigenständige Abteilung etabliert ist, gibt es jetzt einen Chefarzt. Zusätzlich haben wir mit Dr. Sylvia Doleschal eine leitende Oberärztin. Als Notfallmediziner ergänzen wir uns sehr gut: Ich selbst bin Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Allgemeinmedizin, ­Dr. Doleschal ist Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie. Zusätzlich wurde eine neue Oberarzt-Stelle eingerichtet, die mit der Fachärztin für Innere Medizin Evgenjya Komarova besetzt ist. Notarzt Dr. Florian Jachmann, Facharzt für Innere Medizin, bleibt uns weiterhin erhalten. Ab 2020 wird zusätzlich ein Arzt in Weiterbildung zum Allgemeinarzt in der Notaufnahme tätig sein.

Bereits im Jahr 2018 wurde am Klinikum ein „Triage-System“ zur besseren Einschätzung der Behandlungsdringlichkeit eingeführt. Wie hat sich das fünfstufige Modell bewährt?

Dr. Poetzsch: Patienten nach ihrer Dringlichkeit für die ärztliche Behandlung einzuschätzen, und nicht nach dem Zeitpunkt ihres Eintreffens, dieses Prinzip ist mittlerweile in der gesamten Notfallmedizin unumstritten. Das bedeutet: Der Patient mit dem schweren Herzinfarkt wird vor dem Patienten mit der Schnittwunde am Finger behandelt – auch wenn der zuletzt genannte früher in die Notaufnahme gekommen ist. Eine speziell geschulte Pflegekraft schätzt den jeweiligen Behandlungsbedarf ein und teilt die Patienten über ein farblich markiertes System nach der Dringlichkeit ein. Ein „roter Patient“ wird vor einem „gelben“ behandelt. Und der Patient mit der Schnittwunde im Finger wird „grün triagiert“ – sofern es nicht stark blutet.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den weiteren Fachdisziplinen im Haus organisiert?

Dr. Poetzsch: An den Schnittstellen zwischen ZNA und den weiteren Fachabteilungen arbeiten wir sehr eng zusammen. Der Patient mit dem Schlaganfall muss ja nicht nur auf unserer speziellen Schlaganfall-Einheit optimal versorgt sein, sondern auch schon im Vorfeld in der Notaufnahme. Die gute Zusammenarbeit ist ein Anspruch, den wir Tag für Tag mit Leben erfüllen. Zusammen mit unserem Qualitätsmanagement definieren wir das Vorgehen zwischen Notaufnahme und der weiterbehandelnden Abteilung. Standardisierte Abläufe für spezielle Behandlungsbilder erarbeiten wir gemeinsam mit den Spezialisten in unserem Haus. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern erfordert viel Arbeit und stetige Verbesserung.

Seit kurzem gibt es in Ihrem Haus Pflegefachkräfte, die eine Fachweiterbildung für die Notfallpflege absolviert haben. Welche Rolle spielen sie?

Dr. Poetzsch: Während die Ärzte in Bayern immer noch auf Zulassung der Zusatzbezeichnung Klinische Notfall- und Akutmedizin bei der Ärztekammer warten, gibt es für die Pflege bereits eine Zusatzbezeichnung „Notfallpflege“. Die Abläufe in der Notaufnahme sind komplex und erfordern eine spezielle Ausbildung. Wir versuchen, möglichst vielen unserer Pflegekräfte diese Weiterqualifizierung zu ermöglichen. Leider sind wir auch in der Notfallmedizin vom Pflegenotstand betroffen. Wir haben auf der einen Seite immer mehr Patienten mit gestiegenen Anforderungen an die Fachkräfte in den Notaufnahmen, auf der anderen Seite fehlt es an Pflegekräften. Auch wenn der Stellenschlüssel bei uns bereits erhöht wurde – die Stellen müssen in Folge ausgeschrieben und besetzt werden.

Die Notaufnahme ist auch Schnittstelle zwischen niedergelassenen Ärzten und dem Krankenhaus. Wie arbeiten Sie zusammen?

Dr. Poetzsch: Notfallmedizin und hausärztliche Versorgung gehen Hand in Hand – und das muss auch so sein! Ich war selbst in der Hausarztpraxis tätig und kenne die Strukturen, mein Vater war ein klassischer Landarzt. Damit es bei der Einweisung eines Patienten immer einen ärztlichen Ansprechpartner in der Notaufnahme gibt, haben wir eine spezielle „Einweiser-Hotline“ eingeführt, über die wir immer für die Hausärzte erreichbar sind. Und nicht zuletzt zählt das persönliche Gespräch mit dem Patienten und seinen Angehörigen: Das ist unersetzlich. Dafür gibt es keine Computer. Was zählt, ist der Mensch – dafür stehen wir.