Raus aus dem Teufelskreis! Multimodale Schmerztherapie gegen quälende Schmerzen

Karin L. (63 Jahre) aus Olching erkrankte Ende 2017 an Herpes Zoster, besser bekannt als Gürtelrose. Diese Zweiterkrankung nach einer Windpocken-Virusinfektion tritt oftmals erst Jahrzehnte nach der Ansteckung auf. Der für die Erkrankung typische nässende Hautausschlag verursachte auch bei Karin L. brennende Schmerzen in einer streifenförmigen Zone unterhalb der Brustwarze, die sich von der Wirbelsäule nach vorne bis zur Mitte des Brustkorbes zog. Mit austrocknenden und antiseptischen Lösungen, die auf die befallenen Hautstellen aufgetragen wurden, sowie mit einem Medikament, das gegen das Herpes-Zoster-Virus selbst wirkt, gelang es dem behandelnden Arzt, die juckenden und schmerzenden Krankheitssymptome der Haut allmählich in den Griff zu bekommen. Etwa einen Monat nach der Therapie hatten sich die Bläschen und Rötungen zurückgebildet, wenngleich bis heute noch Vernarbungen und Hautverfärbungen an die starke Entzündung erinnern.

Doch obwohl der Patientin unmittelbar nach der Diagnose auch Schmerzmittel verabreicht wurden, hielten die starken Schmerzen an. Zusätzlich bemerkte sie eine starke Empfindlichkeit gegenüber Berührungen, teilweise konnte sie keine lockere Kleidung auf der Haut ertragen, verspürte jedoch gleichzeitig eine ­dumpfe – aber schmerzhafte – Taubheit. Nach einiger Zeit war klar: Karin L. litt an der Post-Zoster-Neuralgie. Bei dieser recht häufig auftretenden Folgeerkrankung der Gürtelrose werden die Betroffenen, selbst nach Abklingen der weiteren Symp­tome, noch weitere Monate oder gar Jahre von starken Schmerzen gepeinigt. Ausgelöst werden diese durch eine infektionsbedingte Schädigung betroffener Nervenfasern, die zu einer Überempfindlichkeit der Nervenzellen im Rückenmark führt. In der Folge werden auch dann noch Schmerzsignale an das Gehirn weitergemeldet, wenn die Ursache für die Schmerzen längst abgeklungen ist.

Patienten, die wie Karin L. unter chronischen Schmerzerkrankungen leiden, finden nun im Klinikum Fürstenfeldbruck kompetente Hilfe, denn die Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin hat ihr Leistungsspektrum um die Therapie chronischer Schmerzerkrankungen erweitert. „Wir setzen bei der Behandlung von anhaltenden und wiederkehrenden Schmerzen, unabhängig von deren Ursache, auf die multimodale Schmerztherapie“, erläutert der Schmerztherapeut Dr. Marcus Lenk das besondere Konzept des neuen Angebots.

Was zeichnet eine multimodale Schmerztherapie aus?

Drei Behandlungsmodule ergänzen sich zu einer individuell ausgerichteten Therapie gegen chronische Schmerzen.

Der Facharzt für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie bietet diese wirksame Therapieform bei chronischen Schmerzen in enger Zusammenarbeit mit Bewegungstherapeuten, Psychologen, Ergotherapeuten, einer algesiologischen Fachassistenz und anderen Fachtherapeuten seines Hauses an. Das gemeinsame Ziel dieses Teams: Die Betroffenen sollen mit chronischen Schmerzen besser zurechtkommen, trotz Schmerzen ihren Alltag wieder aktiver gestalten können und dadurch Lebensqualität zurückgewinnen.

Ein wichtiges Prinzip der multimodalen Schmerztherapie ist die exakt an den individuellen Voraussetzungen und Problemen des jeweiligen Patienten ausgerichtete Behandlung. Ebenfalls unverzichtbar erweist sich eine präzise Schmerzanalyse. So unterscheidet man beispielsweise bei einer Post-Zoster-Neuralgie zwei unterschiedliche Schmerztypen, die attackenartig einschießende, stechende Variante und den brennenden Dauerschmerz, welche allerdings auch häufig gemeinsam auftreten.

Hand in Hand gegen den Schmerz

Die beteiligten Therapeuten kümmern sich unter anderem darum, dass die Patienten eine geeignete medikamentöse Therapie erhalten und über deren Wirkungsweise sowie ggf. Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Auch für Fragen zur Entstehung und Chronifizierung von Schmerzen und den unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten sind sie die Ansprechpartner.

Bei chronischen Schmerzen ist die medikamentöse Therapie aber nur ein sehr kleiner Bestandteil einer weit­gehend ganzheitlich orientierten Therapie. Neben der medikamentösen Schmerztherapie bietet die Schmerzabteilung am Klinikum Fürstenfeldbruck beispielsweise folgende besondere Behandlungsverfahren an:

  • Sonografisch gesteuerte Blockaden peripherer Nerven zur Diagnose bzw. Therapie
  • Blockaden des sympathischen Nervensystems zur Unterbrechung der Weiterleitung von Nervenimpulsen
  • Behandlung chronischer Migräne mit Botulinumtoxin-A
  • elektrische Nervenstimulation durch die Haut (transkutan)
  • Stimulation des Oberaugenhöhlennervs (Nervus supraorbitalis) bei ­Migräne
  • Operative Neuromodulation (in Ko-operation mit der im Haus ansässigen Praxis für Neurochirurgie)

Neben körperlichen Beeinträchtigungen sind Schmerzen auch oftmals mit negativen Auswirkungen auf das Denken, Verhalten und die Stimmung der Betroffenen verbunden. Nicht selten gehen damit Veränderungen in der Familie, im Freundeskreis und im beruflichen Umfeld einher. Die schmerztherapeutisch qualifizierten Psychologen bieten in dieser Situation Entspannungsverfahren an, mit deren Hilfe die Patienten dem entstandenen „Teufelskreis“ zwischen Muskelanspannung und Schmerz längerfristig entgegenwirken können. Das Erlernen funktionaler Stress- und Schmerzbewältigungs­strategien in Einzel- oder Gruppentherapien sowie ein achtsamer Umgang mit sich selbst gehören ebenfalls zum psychologischen Teil der Therapie.

Ein ebenfalls höchstwirksames Behandlungsmodul steuern die Schmerzexperten aus dem Fachgebiet Bewegungstherapie bei. Sie zielen mit gezielten Maßnahmen darauf ab, die körperliche Belastbarkeit der Betroffenen wiederherzustellen. Im Vordergrund stehen dabei die Schulung der Körperwahr­nehmung, ein an die individuellen Möglichkeiten angepasstes Ausdauertraining sowie die allgemeine Verbesserung der Beweglichkeit. Ein aktives Übungsprogramm zur selbstständigen Fortführung, das für jeden Einzelfall individuell entwickelt wird, rundet die Behandlung nach der Entlassung ab.

Bei welchen Diagnosen kommt die Schmerztherapie im Klinikum in Frage?

  • Sämtliche Schmerzerkrankungen, bei denen die eigentliche Ursache nicht (mehr) bestimmbar oder bereits abgeklungen ist
  • Kopf- und Gesichtsschmerzen
  • Post-Zoster-Neuralgie
  • Schmerzen der Wirbelsäule und des Bewegungsapparates
  • Sonstige neuropathische Schmerzsyndrome
  • Fibromyalgiesyndrom
  • Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS, Morbus Sudeck, Kausalgie)