Klinisches Ethikkomitee – 10 Jahre für Würde und Respekt

Soll der Patient mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma nach langem Koma weiter maschinell beatmet werden? Entspricht es dem Wunsch der hochdementen Patientin, dass sie im letzten Krebserkrankungsstadium „künstlich“ über eine Magensonde ernährt wird? Medizinisch ist heute vieles möglich – doch ab wann werden lebensverlängernde Maßnahmen für die Betroffenen zur Qual?

Im Klinikum Fürstenfeldbruck streben die Behandlungsteams grundsätzlich danach, den mutmaßlichen Willen, die Gefühle, Glaubens- und Wertevorstellungen eines jeden Patienten so umfassend wie nur möglich zu berücksichtigen. Gleichwohl gehören ethisch schwierige Entscheidungen zum Versorgungsalltag in einem Akutkrankenhaus. Die damit verbundenen Unsicherheiten belasten nicht nur die Angehörigen; sie bringen auch die Klinikmitarbeiter in moralisch-ethische Konflikte.

Seit 2012 bietet das Klinische Ethik-Komitee, kurz KEK, Unterstützung und Entlastung in Krisensituationen. Die Patienten selbst, deren Angehörige wie auch die behandelnden Ärzte können sich an dieses Gremium wenden, um in medizin-ethischen Konfliktlagen Beratung, Orientierung und weiterführende Informationen zu erhalten. Darüber hinaus widmet sich das KEK der hausinternen Fort- und Weiterbildung zu Ethikfragen im Gesundheitswesen und ist für die Erarbeitung interner Leitlinien für wiederkehrende ethische Konfliktfälle und Problemfelder zuständig.

Im KEK ergänzen sich rund 20 Mitarbeitende aus allen am Klinikum tätigen Berufsgruppen: Ärzteschaft, Pflegekräfte, Verwaltungsangestellte, Mitarbeitende des Sozialdienstes und der Klinikseelsorge.

Schwerpunkte der KEK-Aktivitäten

Ethische Fallbesprechungen: Die KEK-Mitglieder, die diese Fallbesprechungen moderieren, haben hierfür eine spezielle Ausbildung erhalten und bilden sich regelmäßig beim Institut für Ethik in der Medizin der LMU München fort. Im Fokus der Besprechungen stehen der Patientenwille und das Prinzip des „Wohltuns bzw. Nicht-Schadens“, also des Abwägens, inwieweit der einzelne Patient tatsächlich von den zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen profitiert. Ein weiteres Prinzip ist die „Gerechtigkeit bzw. ethische Verpflichtung gegenüber Dritten“. Ziel einer ethischen Fallbesprechung ist es, ein individuelles Behandlungskonzept abzustimmen, das für alle Beteiligten die bestmögliche Lösung darstellt.

Unterstützung in ethisch sensiblen Bereichen: Die steigende Zahl an Patienten, die mit Demenz als Begleiterkrankung im Klinikum versorgt werden, stellt die Behandlungsteams vor wachsende Herausforderungen. Das KEK bietet Unterstützung im belastenden Umgang mit demenziell erkrankten Patienten und hat zu diesem Thema unter anderem einen Aufklärungsflyer für Angehörige und für Betreuungsteams erarbeitet.

Umgang mit Verstorbenen: Eine würdevolle Begleitung von Patienten am Ende des Lebens bedarf auch der Berücksichtigung interkultureller Belange. Dabei geht es darum, Mitmenschen aus anderen Ländern in ihren Trauerriten zu unterstützen. Eine Pflegekraft der Palliativstation hat in einer sehr aufwendigen Arbeit in Anlehnung an ein Schweizer Projekt ein Buch erstellt, das einen Überblick über den Umgang mit Verstorbenen aus 40 Religionen gibt. Es dient als Orientierung, um bei Bedarf Patienten und ihren Angehörigen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund respektvoll zu begleiten.

„Obwohl sich die meisten Menschen wünschen, die letzte Lebensphase zuhause zu verbringen, sieht die Realität anders aus: Nur 25 % der Deutschen sterben daheim; deutlich über die Hälfte im Krankenhaus. Unser KEK nimmt sich u.a. der wichtigen Aufgaben an, die Behandlungsteams bei der Sterbebegleitung und im Umgang mit Verstorbenen zu unterstützen.“

PD Dr. Dr. h.c. Florian Weis, Ärztlicher Direktor des Klinikums Fürstenfeldbruck und Mitglied des Vorstands des Klinischen Ethikkomitees

(Auszug aus dem Gesundheitsmagazin visavis 47)