Zum Team der Abteilung gehören neben dem ärztlichen Leiter Marcus Lenk, dem Facharzt Michael Volger-Leubner und der algesiologischen Fachassistenz Fabiola Günzl noch weitere Kolleginnen und Kollegen aus Physio- und Ergotherapie sowie Psychologie.

Seit fünf Jahren gehört die multimodale Schmerztherapie zum Leistungsspektrum des Fachbereichs Anästhesie und operative Intensivmedizin am Klinikum Fürstenfeldbruck. Das Angebot richtet sich an Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen, gleich welcher Ursache. Wenn sich der Schmerz verselbständigt hat, führt das oftmals zu einem starken und anhaltenden Leidensdruck für die Betroffenen. Mit einem besonderen Behandlungskonzept unterstützt das schmerztherapeutische Team unter der ärztlichen Leitung von Dr. Marcus Lenk seine Patienten, individuelle Wege aus dieser schwierigen Situation zu finden, damit wieder mehr Alltagsfreude in ihr Leben einkehren kann.

Herr Dr. Lenk, Sie haben die multimodale Schmerztherapie vor fünf Jahren am Klinikum Fürstenfeldbruck eingeführt. Wie hat sich Ihre Abteilung seither entwickelt?

Im November 2018 sind wir mit vier stationären Plätzen an den Start gegangen. Die Nachfrage war von Anfang an groß. Deshalb sind wir froh, mittlerweile über die doppelte Aufnahmekapazität zu verfügen und mit unseren acht Betten über 100 Patienten pro Jahr eine Therapie anbieten zu können. Allerdings reicht das noch immer nicht aus, um den Bedarf in unserer Versorgungsregion zu decken. Patienten mit chronischen Schmerzen müssen aktuell mit Wartezeiten von bis zu drei Monaten rechnen, bis wir sie zur Behandlung aufnehmen können.

Spiegelt dieser Bedarf eine generell wachsende Bedeutung der Schmerzmedizin in der ärztlichen Versorgung wider?

Zweifellos! Mit der höheren Lebenserwartung und verbesserten Überlebenschancen bei schweren Erkrankungen durch die moderne Medizin nimmt auch die Zahl der von chronischen Schmerzen betroffenen Menschen kontinuierlich zu. Außerdem wissen wir, dass Schmerz bei manchen chronischen Erkrankungen, die wir nicht ursächlich behandeln können, ungeachtet des Lebensalters zum Leitsymptom werden kann. Wir sprechen hier von über 2,2 Millionen Menschen, bei denen sich der Schmerz als komplexe, psychosoziale Erkrankung verselbständigt. Unterdessen gibt es jedoch auch in der Schmerzforschung erfreuliche Fortschritte und in der ärztlichen Versorgung setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass bei chronischen Schmerzen eine Vielzahl individueller Faktoren zusammenspielen. Dieses Wissen legt eine konsequent personalisierte Herangehensweise unter Einsatz multimodaler Behandlungsstrategien nahe.

Was genau bedeutet multimodal?

Wir verstehen darunter eine individualisierte Behandlung, bei der gleichzeitig in hoher Frequenz verschiedene aktiv übende Therapieformen zur Schmerzlinderung oder -bewältigung angewendet werden. Das heißt, wir kombinieren unter ärztlicher Supervision Bewegungs-, Ergo- und Verhaltenstherapie mit weiteren Modulen, die sich einzeln oder in der Gruppe aktiv üben lassen (s. Abb. rechts). Dazu sind wie in der Lage, weil in unserem Team unterschiedliche, für die Schmerztherapie relevante Berufsgruppen gleichberechtigt Hand in Hand arbeiten. Neben mir und einem weiteren ärztlichen Schmerzmediziner sowie einer speziell schmerzmedizinisch weitergebildeten Pflegefachkraft gehören dazu Spezialisten aus den Bereichen Psychotherapie, Ergotherapie, Sprach- und Atemtherapie, Bewegungstherapie, Feldenkrais und Yoga. Die einzelnen Behandlungsmodule werden konsequent an die ganz persönlichen Voraussetzungen der Patienten angepasst und in einer so hohen Therapiedichte angeboten, dass ein stationärer Rahmen erforderlich ist. Im Lauf von 16 Tagen – so lange bleiben unsere chronischen Schmerzpatienten durchschnittlich auf Station – können dabei gut 100 Therapieeinheiten zusammenkommen.

Die multimodale Schmerztherapie sieht ein tagesfüllendes Programm mit vielseitigen Aktivitäten vor. „Wir passen den Therapieplan an das individuelle Leistungsni-veau der Patienten an. So kann bei jüngeren, sportlichen Personen durchaus noch mehr Aktivierung gefordert sein, wohingegen Menschen mit eingeschränkter Leis-tungsfähigkeit eine „schlankere“ Version erhalten. Nur am Wochenende reduzieren wir das Pensum, damit sich die Teilnehmenden auch erholen können“, erläutert die Pflegefachkraft und algesiologische Fachassistentin Fabiola Günzl den Plan.

Welche Ziele streben Sie bei der multimodalen Schmerztherapie an?

Für den Patienten steht am Anfang der Therapie immer die Schmerzlinderung im Vordergrund; wann immer möglich, wollen wir natürlich auch eine Schmerzlinderung erreichen. Viel wichtiger ist es jedoch, dass unsere Patienten am Ende dieser hochintensiven Behandlung in der Lage sind, erlernte und unter Anleitung geübte Verhaltensänderungen im Umgang mit dem unweigerlich verbleibenden Schmerz in ihren persönlichen Alltag zu übernehmen. Der Schlüssel zum Behandlungserfolg liegt darin, dass Patienten in die Therapieentscheidungen einbezogen sind und sie mittragen. Dadurch sind sie motiviert, selbst aktiv Verantwortung für ihre Therapie zu übernehmen, also vom Behandelten zum Handelnden zu werden. Mit anderen Worten ausgedrückt: Wir wollen uns selbst als Behandler im Verlauf der Therapie überflüssig machen. Ideal ist es, wenn die Patienten auf ihre Selbstwirksamkeit im Umgang mit ihren Schmerzen vertrauen können.

Welche Rahmenbedingungen wünschen Sie sich in den kommenden fünf Jahren für Ihr Angebot?

Mit Blick auf den absehbar wachsenden Bedarf an seriösen, evidenzbasierten Behandlungskonzepten für chronische Schmerzerkrankungen stehen größere Räumlichkeiten, die mehr Behandlungsplätze erlauben, ganz oben auf meiner Wunschliste. Weiterhin wäre es sinnvoll, unsere Sektion in einer eigenen stationären Einheit mit eigenem Pflegepersonal zusammenzufassen. Zudem würde ich den Patienten nach der stationären Therapie gerne eine ambulante Nachsorge ermöglichen, wofür aktuell die personellen Kapazitäten nicht ausreichen.  Der Bedarf ist nachweislich hoch. Dabei geht es nicht nur darum, persönliches Leid der Patienten zu lindern. Auch für unser Sozial- und Gesundheitssystem ist eine leistungsstarke Schmerzmedizin relevant, könnten doch vorzeitige Invalidität bzw. Berentung häufig vermieden und Arbeitsunfähigkeit infolge chronischer Schmerzerkrankungen nachweislich reduziert werden.

((Beitrag zum Download aus dem Patientenmagazin visavis 50))

Es ging den ganzen Tag nur um mich

„Wer mich heute bei meiner Arbeit im Dialysezentrum oder bei einer meiner ausgiebigen Touren auf dem E-Bike sieht, wird sich kaum vorstellen können, welche Schmerzen mich jahrelang massiv im Alltag eingeschränkt haben,“ so beschreibt Marion R. ihre Geschichte als chronische Schmerzpatientin. Mit Anfang 50 hat die Arzthelferin ihr Leben heute wieder im Griff, ist beruflich leistungsfähig und sprüht vor Lebensfreude. Das war nicht immer so.

Gut eineinhalb Jahre nach der stationären Behandlung freut sich Marion R. jeden tag über die wiedergewonnene beweglichkeit, etwa beim Radfahren.

Ihre Leidenszeit begann 1995, als bei ihr eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung diagnostiziert wurde. In der Folge traten immer wieder heftige Gelenkschmerzen auf, die Patienten mit dieser Autoimmunerkrankung häufig betreffen. Vorrübergehende Linderung brachte eine Therapie mit einem entzündungshemmenden, biotechnologisch hergestellten Medikament. Doch diese Behandlung musste abgebrochen werden, weil sie unerwünschte Nebenwirkungen in Form von schmerzhaften Nervenschädigungen und Störungen der Bewegungskoordination hervorgerufen hatte. Eine alternative Therapie war zunächst nicht in Sicht.

Im April 2021 wurde der Patientin von ihrem neuen Hausarzt schließlich empfohlen, sich zur Schmerztherapie im Klinikum Fürstenfeldbruck vorzustellen. Bereits nach dem ersten Arztgespräch und der Aufklärung über das Behandlungskonzept war die anfängliche Skepsis gegenüber einer stationären Aufnahme verflogen. „Während der 16-tägigen Therapie ging es Tag für Tag nur um mich“, erinnert sich Marion R. „Der komplette Behandlungsplan war exakt auf mich zugeschnitten. Ich habe nicht nur gelernt, dass mir viel Bewegung guttut, sondern es wurde mir auch sehr einfühlsam erklärt, wie ich mich am besten bewegen kann. Diese Übungen ließen sich gut in meinen Alltag integrieren. Früher war mein Befinden nur von Schmerzmedikamenten bestimmt – jetzt brauche ich nur noch ganz wenig davon. Die Teilnahme an diesem Therapieprogramm gehört zweifellos zu den besten Entscheidungen meines Lebens!“